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Durchgangsarzt

Der Durchgangsarzt wird zunächst für die Berufsgenossenschaft als Beamter im Haftungsrechtlichen Sinne tätigt. Als Beamter entscheidet er über das Ob und Wie der Behandlung. Für Fehler in diesem Stadium kann er persönlich nicht haftbar gemacht werden, es gelten die Grundsätze des Amtshaftungsrechts

Zu den Pflichten des Durchgangsarztes bei der Entscheidung über das Ob und Wie gehört insbesondere auch die Entscheidung über die allgemeine und besondere Heilbehandlung. Auch dies ist dem öffentlich rechtlichen Bereich zuzuordnen.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 29.11.2016, VI ZR 208/15, seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und ordnet die Erstversorgung des Patienten durch den D-Arzt einheitlich dem Amtshaftungsrecht zu. Es gelten danach folgende Grundsätze:

  • Auch die im Rahmen der Erstversorgung durchgeführte Diagnostik gehört zur Ausübung eines öffentlichen Amtes durch den D-Arzt, weil die Entscheidung über das Ob und Wie der Heilbehandlung durch die diagnostischen Maßnahmen vorbereitet wird und eine Aufspaltung nicht sachgerecht erscheint.
  • Die entgegenstehende frühere Rechtsprechung wird aufgegeben.
  • Die Erstversorgung wird auch dann dem Amtshaftungsrecht zugeordnet, wenn sie nicht durch einen D-Arzt, sondern einen nachgeordneten Arzt erfolgt, der nicht ständiger Vertreter des D-Arztes ist.
  • Die dem öffentlichen Recht zuzurechnende Erstversorgung ist von der dem Privatrecht zugeordneten weiteren Heilbehandlung anhand der Angaben über den Umfang zur Erstversorgung im D-Arzt-Bericht abzugrenzen
  • Diese Ausführungen gelten auch für die Nachschau.

Übernimmt der D-Arzt dann die allgemeine oder besondere Heilbehandlung, haftet er zivilrechtlich.

Diese Rechtsprechung wird im Urteil vom 20.12.2016 (VI ZR 395/15) modifiziert:

  • Eine Ausübung eines öffentlichen Amts liegt auch dann vor, wenn der D-Arzt im Rahmen der weiteren Behandlung - Nachschau - sich ausschließlich auf die Frage beschränkt, ob die bei der Erstvorstellung des Verletzten getroffene Entscheidung aufrecht zu erhalten ist.

OLG Hamm, Urteil vom 16.09.2022, Az. 11 U 11/22

  • Behandlung durch Assistenzärztin wird dem D-Arzt zugerechnet, wenn sie als D-ärztliche Behandlung bezeichnet wird.
  • Erstversorgung gehört zum hoheitlichen Teil der D-ärztlichen Behandlung




Grundsätzlich zur Abgrenzung OLG Oldenburg, Urteil vom 30.06.2010, Az 5 U 15/10, Link

  • "Ordnet der Durchgangsarzt hingegen die besondere Heilbehandlung an und schädigt den Patienten bei deren Durchführung aufgrund eines Behandlungsfehlers, so haftet er persönlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin macht nicht geltend, dass die Anordnung der besonderen Heilbehandlung fehlerhaft gewesen sei. Unstreitig ist sie auch nicht bei den dieser Entscheidung vorausgehenden Untersuchungen geschädigt worden. Die Schädigung ist vielmehr deshalb eingetreten, weil der Beklagte zu 3) im Rahmen der von ihm vorgenommenen besonderen Heilbehandlung nicht umgehend eine geschlossene Reposition vorgenommen hat und deshalb später eine Operation erforderlich wurde.

  • Dass das Unterlassen der sachgerechten Behandlung auf einer fehlerhaften Auswertung der unmittelbar nach der Einlieferung der Klägerin, und damit vor der Entscheidung des Beklagten zu 3) ob eine besondere Heilbehandlung einzuleiten war, gefertigten Röntgenaufnahme beruht, rechtfertigt keine andere Beurteilung."